Mig & Pips – Ordnung ist das halbe Leben
Ein Hilferuf hallte über die Baustelle. Die Maschinen standen still und Regen prasselte auf das Dach des Baustellenwagens, in dem Mig und Pips ihrer Pause nachgingen.
«Tschau!», rief Pips und warf seine Acht Schellen auf den Tisch, zückte seine letzte Karte und wollte gerade zu seinem triumphalen Finale ansetzen, als Mig ihn unterbrach. «Stopp! Hast du das gehört?» – «Was?», sagte Pips. «Sei kein Spielverderber.» Er holte aus, liess seine Hand auf den Tisch fallen, sodass Kaffee aus Migs Becher auf den Tisch schwappte, und offenbarte dabei seine letzte Karte: fünf Schellen. «S…» – «Pssst!». Mig presste seinen Zeigefinger auf seine Lippen. Der Hilferuf war jetzt deutlich zu hören. Pips und Mig warfen sich einen Blick zu, schnappten sich ihre Helme und rannten aus dem Bauwagen.
Pips war kaum zwei Schritte gelaufen und schon trat er in eine Bewehrungsmatte, die mitten auf dem Boden lag. Sein Fuss blieb in dem Gitter hängen und Pips flog mit beiden Armen nach vorne Gestreckt auf den Boden. Sein Kopf landete nur wenige Zentimeter neben einem Armierungseisen, das aus der Matte herausragte. Mig eilte zu ihm und fragte ihn, ob alles in Ordnung sei. «Ja, nichts passiert», antwortete Pips. «Geh ruhig weiter.»
Mig näherte sich den Hilferufen, konnte aber niemanden sehen. «Wo bist du?», rief er und aus der Richtung der Bautoilette hörte er den Lehrling: «Hier! Auf dem Klo!». Ein Stapel schwerer Bohlen war vor die Toilette gefallen und hatte sich so verkantet, dass sich die Tür nicht mehr öffnen liess. Mig räumte die Bohlen beiseite und befreite den Lehrling, der komplett durchnässt aus dem WC stolperte. «Was ist denn mit dir passiert?», fragte Pips, der humpelnd dazukam. «Das Dach hat ein Leck», sagte der Lehrling. Mig holte ihm ein paar trockene Klamotten, die er noch in seinem Auto hatte, und half dem immer noch humpelnden Pips dann in den Bauwagen.
«Ich glaube, wir müssen heute mal die Baustelle aufräumen», sagte Pips, worauf Mig antwortet: «Lass uns aber erstmal zu Ende spielen. Ziehe vier Karten. Du hast vergessen, Sepp zu sagen.»
Faktencheck
Unsere Wahrnehmung von Risiken wird durch viele Faktoren geprägt. Neben dem sozialen Umfeld und dem Geschlecht spielt auch die Berichterstattung in den Medien eine Rolle. So erstaunt es nicht, dass das Risiko, in einem Verkehrsunfall getötet zu werden, viel höher eingeschätzt wird als die Wahrscheinlichkeit, wegen eines Sturzes zu sterben. Die Zahlen der BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung, sprechen aber eine deutliche Sprache.
Gemäss der Unfallstatistik der BFU starben durchschnittlich rund 2’380 Personen an den Folgen eines Nichtberufsunfalls: 2’030 (85 %) im Bereich Haus und Freizeit, 220 (10 %) im Strassenverkehr und 130 (5 %) beim Sport. Von den bei Nichtberufsunfällen Verletzten – rund 1 Million pro Jahr – entfallen mehr als die Hälfte, nämlich ca. 570’000, auf den Bereich Haus und Freizeit, 39 % werden dem Sport zugeordnet und 8 % werden in Strassenverkehrsunfällen verletzt. Der Sturz ist der häufigste Unfallhergang in Haushalt, Garten und Freizeit. (Quelle: BFU: STATUS 2016-2020, Spezialauswertung)